Die Interaktionen mit Mitmenschen beim Musizieren

Mein Name ist Nico Münzing.
Ich bin Organist und Hobby- Musiker. Bei einem Gespräch mit einer Freundin wurde ich gebeten meine Gedanken aufzuschreiben und dies mache ich nun:
Durch die Corona-Krise wurde der Gottesdienst Betrieb gänzlich eingestellt. Wir, die Pfarrerin und Organist (ich), waren gezwungen, neue Wege zu gehen, um unsere Gemeinde nach wie vor „versorgen“ zu können.
Es entstand ein eingespieltes und ergänzendes Arbeiten ohne Kontakt.
Sie spricht die Predigt zu Hause ein. Ich wiederum spiele die Lieder und Musikstücke in der Kirche auf CD ein und eine dritte Person schneidet alles zu einer Andacht zusammen.
Passt, so mein erster Gedanke.
Nach und nach habe ich nun in dieser Zeit für mich festgestellt:
Um Musik lebendig zu machen, um treffend und aufgreifend und themenwiedergebend agieren und spielen zu können, brauche ich die Gemeinde – das Publikum.
Es ist faszinierend und war mir nie so bewusst:
Wenn ich in der leeren Kirche spiele, fehlt mir absolut Stimmung. Es fehlen die Emotionen von den Mitmenschen. Es gibt keine Magie und es fühlt sich für mich leer an.
Für mich zeigt die derzeitige Situation, wie wichtig es für mich ist, beim Musizieren, Menschen um mich zu haben.
Es geht mir nicht darum bei den Menschen gut anzukommen oder Lob zu ernten.
Es geht mir auch nicht darum mich darzustellen oder mich zu profilieren.
Es fehlt für mich beim Spielen dieser Zauber. Er beflügelt mich und verschafft mir unglaublichen Auftrieb.
Durch diese stillen emotionalen und stimmungstechnischen Interaktionen lebt die Musik erst für mich und fängt immer wieder an, sich selbst neu zu definieren und zu atmen.
Ich empfinde diese „Gefühle“ als Seele der Musik.
Ganz klar: Musik an sich definiert sich über sich selbst.
Aber das spannende an der Musik für mich: sie mit Leben zu füllen und mit purer Emotion zu praktizieren. Und genau dafür brauche ich Menschen.
Oft bereite ich Musikstücke vor, bei denen ich in der Vorbereitung denke: Das passt perfekt. Diese Stücke greifen total das Thema auf.
Beim Gottesdienst selbst entwickelt sich dann ein ganz anderes Bild oder kommt eine ganz andere Situation zustande.
Oder schon vor dem Gottesdienst merke ich in der Kirche: da „liegt was in der Luft“.
Intuitiv reagiere ich dann und spiele meinem Empfinden entsprechend. Durch das einspielen auf CD ist mir dieses spontane reagieren auf die Worte von Predigt, auf Stimmung aus der Gemeinde, nicht möglich. Es fühlt sich nicht mehr rund und stimmig an für mich.
Wenn ich im Nachhinein die Zusammenschnitte anhöre, stört mich meine eigene Musik.
Ich hätte „live“ oft definitiv anders entschieden.
Ich bin durch diese Corona-musizier-Erfahrung tatsächlich zu der Erkenntnis gekommen:
Die Sozialkomponente Mitmensch ist für stimmige und lebendige Musik elementar wichtig.